Sie gehören zu den ersten Blüten im Frühjahr, auf die die Bienen, Wildbienen, Hummeln und Co. fliegen: Die Blüten der Obstbäume. Auch wir Menschen lieben diese Blüten, die sich so sanft im Wind wiegen und einen zarten süßlichen Duft verströmen. Besonders sprechen uns die Streuobstwiesen an. Sie nehmen einen besonderen Raum in unseren Landschaften ein. Wie zufällig gesetzt stehen die Obstbäume verteilt auf der Wiese oder als Alleebäume an einer Straße oder einem Weg.
Streuobstwiesen sind ein einzigartiger Lebensraum. Sie sind ein „Hotspot“ der Biodiversität und zählen seit 2021 zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO. Die Wiesen sind ein wichtiger Lebensraum für Vögel, Insekten oder Spinnen, denn es wird auf chemisch-synthetische Pestizide verzichtet. Durch die extensive Bewirtschaftung verbreiten sich viele verschiedene Pflanzen, die wiederum Lebensraum für zahlreiche Kleinlebewesen sind, darunter viele bedrohte Arten. Die Bewirtschaftung und Pflege einer Streuobstwiese teilt sich in die sogenannte „Obernutzung“ – also der obere Teil des Baumes – und die „Unternutzung – die Fläche unter den Bäumen.
Neigt sich der Sommer seinem Ende zu, freuen wir uns auf die Ernte: Es ist ein Schwelgen in fruchtigen Genüssen. Entweder direkt hineinbeißen, als Obstkuchen, getrocknete Früchte, Saft, Wein, Obstbrand… Es gibt vermutlich Tausende Zubereitungsmöglichkeiten und Rezepte für das geerntete Obst.
Projektgruppe der Integrierten Umweltberatung Mayen-Koblenz
Die Projektgruppe des Kreises Mayen-Koblenz hat sich das Ziel gesetzt, Streuobstwiesen im Landkreis Mayen-Koblenz zu erhalten und zu entwickeln. Ein wichtiger Baustein hierzu ist die Nutzung der Streuobstwiesen. Im Rahmen der Projektgruppe arbeiten Obst- und Gartenbauvereine, Umweltverbände, Initiativen und Verwaltungen eng mit Keltereien der Region zusammen. Gemeinden unterstützen die Arbeit. Eine enge Kooperation besteht mit dem Umweltamt der Stadt Koblenz.
Kotteme Streuobstwiesen
Ein Beispiel, wie es gelingen kann, mit vereinten Kräften Streuobstwiesen zu erhalten sind die Kottenheimer Streuobstwiesen. Sie zählen zu den größten zusammenhängenden Flächen in Rheinland-Pfalz. „Wir müssen diese Wiesen pflegen, damit sie erhalten bleiben. Es sind wertvolle Lebensräume. Wenn wir nichts tun, sind die Bäume irgendwann verschwunden“, sagt Prof. Dr. Andreas Hesse, Vorsitzender des Vereins „Kotteme Streuobstwiesen“. Im Herbst 2017 hat er zusammen mit Guido Walter und weiteren Mitstreiterinnen und Mitstreitern den Verein gegründet, um die Streuobstwiesen rund um Kottenheim zu erhalten - so wie sie schon seit Generationen in Kottenheim existieren. Früher sei es im Ort selbstverständlich gewesen, dass man das Obst genutzt habe, berichtet Hesse. Viele Hausbesitzer hatten ein paar Obstbäume. Es wurde Saft und Wein produziert und der ein oder andere Apfel landete als köstlicher Apfelkuchen auf dem Tisch der Kaffeetafel. Diese langjährige Tradition ist im Wissen der Kottenheimer verankert. Das hat vermutlich dazu beigetragen, dass von den rund 2.500 Bewohnern des Ortes mehr als 500 Mitglied im Verein sind. Die Streuobstwiesen gehören zur Identität der Kottenheimer, es ist eine Kulturlandschaft, die keiner mehr missen möchte.
Direkt hinter dem Ort schlängelt sich eine schmale Straße den Hügel hinauf. Links und rechts befinden sich die Wiesen mit den Obstbäumen. Die Menschen gehen hier spazieren – mit oder ohne Hund – und mit etwas Glück lässt sich ein Reh blicken, dass durch die Wiesen streift. Ornithologen haben den Steinkauz ausfindig gemacht, verschiedene Spechte brüten in den Wiesen und die Fledermäuse aus dem Mayener Grubenfeld finden hier Nahrung. Zwei- bis dreimal im Jahr werden die Wiesen. Die Streuobstwiesen sind nicht nur ein Erholungsraum für die Menschen, sondern auch ein wichtiger Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt.
Alte Sorten
Es sind alte Obstsorten, die auf den Wiesen an den Bäumen zu finden sind. Bei den Äpfeln sind es zum Großteil vier Sorten: Der große Rheinische Bohnapfel, die Goldparmäne, der Boskop und der Winterrambur. Rund 2.500 Obstbäume stehen auf den Wiesen, von denen etwa 1.000 in den vergangenen Jahren vom Verein gepflegt werden. Überwiegend sind es Apfelbäume, doch dazwischen finden sich auch einige Birnbäume, Pflaumen, Mirabellen und Kirschen. Erhaben, fast schon majestätisch recken einige wenige große Walnussbäume ihre Zweige gen Himmel. Insgesamt sind etwa 40 verschiedene Obstsorten auf den Kottenheimer Streuobstwiesen zu finden – ein wichtiger Beitrag, um die Vielfalt an Obstsorten zu erhalten. Für den Erhalt der Wiesen dienen auch die Neupflanzungen. Seit der Vereinsgründung konnten die Mitglieder schon 500 neue Bäume pflanzen und die müssen in den ersten Jahren besonders gehegt und gepflegt werden.
Auf den Kottenheimer Wiesen befinden sich die Obstbäume auf kleinen Parzellen. Zwischen 300 und 1.500 Quadratmeter sind sie groß. Der Verein versucht, mit möglichst vielen Besitzern Nutzungsverträge abzuschließen. Das bedeutet, dass die Mitglieder die alten Bäume pflegen, neue Bäume pflanzen und das Obst verwerten dürfen. An jedem Baum, der vom Verein gepflegt wird, befindet sich eine Plakette mit einem QR-Code. Hinter diesem Code verbergen sich unter anderem die die Maßnahmentermine, die Sorte und der genaue Standort.
Pflege der Bäume
Obstbäume - insbesondere Apfelbäume - müssen gepflegt werden. Apfelbäume benötigen regelmäßige Schnitte und die müssen fachgerecht ausgeführt werden. Den Schnitt übernehmen Obstbaumpfleger, die Mitglieder des Vereins agieren an den Schnitt-Terminen als Helfer und unterstützen die Obstbaumpfleger. Sie befreien beispielsweise die Bäume von den Misteln. „Misteln sind Schmarotzer, die den Baum auf Dauer kaputt machen“, sagt Andreas Hesse.
Verwertung
Bei der Verwertung stehen die Äpfel im Vordergrund. Gemeinsam wird das Obst von den Bäumen geerntet, für die der Verein die Nutzungsrechte von den Besitzern bekommen hat. Vier bis sechs Tonnen Äpfel kommen pro Jahr zusammen, die in eine Kelterei an der Mosel gebracht werden. Dort entsteht der Kottenheimer Apfelsaft, der nur im Ort verkauft wird – eine echte Spezialität. „In drei Jahren haben wir schon rund 19.000 Flaschen Apfelsaft produzieren können“, freut sich Andreas Hesse.
„leckerMYK Streuobstwochen“
Vom 15. bis 24. September dreht sich bei den „leckerMYK Streuobstwochen“ um das Obst von den Obstbäumen auf den Streuobstwiesen. Die Veranstaltungen und Aktionen in dieser Woche rücken die Bedeutung von Streuobst in den Blickpunkt. Sie bieten zahlreiche Informationen und zeigen die Unterschiede zwischen Streuobstwiesen und dem plantagenmäßigen Obstanbau in der Region.
13 beteiligte leckerMYK Gastgeber bieten in dieser Woche genussvolle Kreationen aus Äpfeln, Zwetschgen, Mirabellen, Walnüssen oder Birnen an. Unsere Region is(s)t regional!